Motivation
Viele Unternehmen nutzen heute die SAP Business Suite als zentralen
Backbone für die Abwicklung der Geschäftsprozesse und die Kommunikation mit den Geschäftspartnern. Die voranschreitende Digitalisierung nahezu aller
Geschäftsprozesse, verbunden mit dem technologischen Wandel, erhöht für den
IT-Verantwortlichen den Handlungsdruck zur Umstellung auf aktuelle
Technologien. Das Supportende der SAP Standardanwendungen wurde zunächst für das
Jahr 2025 angekündigt. (>Update im Januar 2020)
Anfang 2020 wurde durch SAP angekündigt, diese Frist bis zum Jahr 2027 zu verlängern Eine tragfähige Migrationsstrategie ist dennoch zeitnah zu entwickeln, da relativ lange Projektlaufzeiten und hohe Auslastungen externer Dienstleister zu erwarten sind. (<Update im Januar 2020).
Im
ersten Teil dieser Beitragsreihe möchte ich beschreiben, wie sich ein Konvertierungsprojekt - der sogenannte Brownfield-Ansatz - von einem klassischen Upgrade-Projekt
unterscheidet. Beim Brownfield-Ansatz werden die Prozesse und Daten in SAP S/4HANA übertragen und evolutionär angepasst und verbessert. Zusätzlich unterstützt sind die Szenarien Greenfield-Approach (Neue Implementierung und umfassende Restrukturierung) und die Landscape-Transformation (Konsolidierung mehrerer SAP-Systeme in zentrales System). Nach Einschätzung des Verfassers dürfte in der Praxis der
Brownfield-Ansatz am häufigsten anzutreffen sein.
Klassisches Upgrade-Projekt
Mit Upgrade-Projekten innerhalb der Business Suite haben die meisten SAP
Anwender schon Erfahrungen gesammelt. Ein klassisches Upgrade-Projekt besteht
größtenteils aus technisch getriebenen Arbeitspaketen. Unmittelbare
Auswirkungen auf das Business sind überschaubar, die Projektorganisation kann
relativ kompakt aufgesetzt werden. Die Projektlaufzeiten von der Planung bis
zum technischen Umstellungstermin betragen in der Regel nur wenige Monate.
Challenge S/4HANA Konvertierung
Ein Konvertierungsprojekt von der Business
Suite zu S/4HANA ist im direkten Vergleich erheblich komplexer. Bei einer Konvertierung
wird ein vorhandenes SAP-System auf den neuen digitalen Core S/4HANA
umgestellt. Auch hier sind natürlich technische Arbeitspakete vorzusehen, z.B.
müssen Daten im Altsystem für die Konvertierung vorbereitet werden,
Kundenerweiterungen müssen überprüft und migriert werden, die Altdaten sind in die Datenstrukturen der HANA Datenbank zu konvertieren. SAP
unterstützt die Konvertierung auf S/4HANA durch leistungsfähige Tools.
Verschiedene Templates sind zusätzlich verfügbar. Diese Standardtools
unterstützen bei der Analyse, Planung und Durchführung eines
Konvertierungsprojekts. Tools und Templates werde ich in einem Folgebeitrag
vorstellen.
Multiple Handlungsfelder
Ein Konvertierungsprojekt hat neben den
technischen Änderungen zum Teil tiefgreifende Auswirkungen auf die Organisation
und die Geschäftsprozesse. Das Tagesgeschäft der Mitarbeiter und die
Interaktion mit den Geschäftspartnern wird durch den Austausch bzw. Umstellung
altbekannter Abläufe in Teilen signifikant verändert. Bekannte Transaktionen werden
durch neue bzw. geänderte Apps ersetzt. Funktionen entfallen und finden sich
teilweise in neuen Konzepten wieder. Die zentrale Benutzeroberfläche in S/4HANA
ist SAP-Fiori. Ein Umdenken in der gesamten Organisation ist erforderlich. Die
neuen Abläufe müssen eingeübt werden.
Der Brownfield-Ansatz vermeidet zugunsten geringerer Kosten und einer kürzeren Projektlaufzeit die Umsetzung von Innovationen. Die Systemkomplexität wird nicht unbedingt reduziert. Die bisherigen Ausführungen zeigen aber dennoch recht deutlich,
welche Dimensionen ein Konvertierungsprojekt selbst bei Verzicht auf Neustrukturierung tatsächlich aufweist. Ein
Konvertierungsprojekt ist hinsichtlich der Komplexität und dem Aufgabenumfang mit einem Implementierungsprojekt annähernd vergleichbar.
S/4HANA
als Innovationstreiber
Das Verharren in alten Strukturen und Prozessen kann die weitere Entwicklung des Unternehmens erheblich behindern oder die Existenz des Unternehmens bedrohen. Die
Business Suite S/4HANA verfügt über ein Instrumentarium, um die Grenzen des
klassischen IT-Business-Support Ansatzes zu überwinden. Künstliche Intelligenz,
Maschinelles Lernen, Prognosefunktionen, Big-Data, Anbindung von Geräten über das Internet und Cloud-Szenarien sind als innovative Features verfügbar. Das sogenannte
Design-Thinking erlaubt eine wesentlich tiefere Systemintegration und
erweiterte Interaktion mit Geschäftspartnern in einem bisher nicht möglichen
Umfang. Der digitale Core unterstützt eine digitale Business Strategie vom Frontend bis zum Backend und
wird so zum technologischen Treiber für völlig veränderte digitale Prozesse. Bei der Umsetzung der erforderlichen Veränderungen gilt es aber Augenmaß zu bewahren. Es wird eine stufenweise Umsetzung - im Sinne einer Evolution - notwendig sein, um einen Overkill für
Mitarbeiter und Organisation zu vermeiden.
Kosten-Nutzen-Analyse
Die Einführung von S/4 HANA ist mit zusätzlichen Kosten verbunden. Aus
ökonomischer Sicht stellt sich die Frage nach dem Nutzwert dieser Investition. Ein nachhaltiger Business Case soll sich letztendlich rechnen. Bei der zu erwartenden Investitionssumme wird eine Amortisationszeit von etwa ein
bis drei Jahren als akzeptabel anzusetzen sein.
Wertschöpfung durch Innovation
Eine konsequent umgesetzte digitale Business-Strategie ist ein geeigneter Hebel zur Generierung von Business Value.Die gesamte Organisation ist zu hinterfragen. Alle Prozesse sind auf den Prüfstein zu stellen. Digitale Business-Prozesse müssen definiert und implementiert werden, klassische Prozesse müssen möglichst vollständig automatisiert werden. Dem Business ist eine fortschrittliche
Analytik auf einem ganz neuen Level - automatisierte Entscheidungshilfen, Digital Boardroom etc. - an die Hand zu geben. Auch verbessertes Employer Branding, Kundenzufriedenheit, etc. generieren einen Zusatznutzen. Diese und ähnliche Faktoren sind natürlich auch entsprechend zu bewerten.
Projektorganisation
Auch die Projektorganisation eines Konvertierungsprojekts ist umfangreicher. Es
sind etwa ein Dutzend Rollen vorzusehen, um die benötigten Skills für die
unterschiedlichen Tasks angemessen zu berücksichtigen. Das Verhältnis der internen zu den externen Mitarbeitern sollte ausgewogen sein, um unternehmensspezifische Gegebenheiten ausreichend zu berücksichtigen und um Know-how bereits in der Projektphase zu transferieren. Die internen Spezialisten sind
rechtzeitig vor Projektbeginn entsprechend der vorgesehenen Rolle z.B. durch
Schulungsmaßnahmen zu qualifizieren. Die ständige Einbindung des Top-Managements ist empfehlenswert. Mögliche Informationsverluste können vermieden werden und kurze Wege bei Entscheidungsfindungen sind sichergestellt.
Release-Zyklen
Abschließend noch ein Hinweis zur Release-Strategie der SAP: Bei den
On-Premise-Versionen S/4HANA ist der Release-Zyklus fest vorgegeben. Neue
Versionen erscheinen jeweils im Q3 eines jeden Jahres. In Q1 und Q2 des
Folgejahres werden jeweils zugehörige Feature-Packs mit Funktionsergänzungen
bzw. Bugfixes veröffentlicht. Wegen der relativ langen Projektlaufzeit kann der
Release-Zyklus direkten Einfluss auf den geplanten Projektablauf haben. Es
empfiehlt sich, den Release-Zyklus mit dem Projektablauf abzugleichen und zu
synchronisieren.
Fazit
Ein S/4HANA-Konvertierungsprojekt berührt Technik, Daten, Mitarbeiter,Prozesse, Produkte, Geschäftspartner und die Organisation insgesamt. Der technische Teil ist dabei nur
"die Spitze vom Eisberg". Mit der Umstellungen auf S/4HANA sollte die
Komplexität auf allen Ebenen reduziert werden. Handlungsfelder sind Produkte,
Organisation und Prozesse. Eine sorgfältige Analyse- und Planungsphase ist für
eine erfolgreiche Projektumsetzung unabdingbar. Die strategischen Schritte
sollten in einer Roadmap festgeschrieben werden. Dieser "rote Faden"
hilft Fehlentscheidungen und Fehlplanungen zu vermeiden. Der Business-Case gibt zusätzliche Planungssicherheit und ermöglicht einen permanenten Zielabgleich während der Projektdurchführung.
Die benötigten Zeiten für die
jeweiligen Arbeitspakete sind realistisch zu planen. Gravierende
Fehleinschätzungen können den gesamten Projekterfolg gefährden. Oftmals wird der Zeitbedarf für die Mitarbeiterschulungen, die Testphase und die Etablierung des
Berechtigungskonzept zu kurz bemessen. Die zu erwartende Komplexität und die Vielzahl der
beteiligten Rollen erfordern auf jeden Fall ein professionelles Projektmanagement
und ein adäquat aufgestelltes Projektteam.
Die Umstellung auf S/4HANA als digitalem Kern der IT-Architektur ist mit
Aufwand und Kosten verbunden, eröffnet jedoch auch beträchtliches Potenzial -
besonders dann, wenn die gesamte Organisation auf Basis der geplanten SAP-Ziel-Architektur neu ausgerichtet wird. Ein
richtig verzahntes Konvertierungsprojekt eröffnet dem Unternehmen völlig neue
Möglichkeiten sich neu aufzustellen. Die klassische Organisation kann sich zu einem dynamischen System
entwickeln und geänderte Kundenbedürfnisse schnell und flexibel umsetzen. Die Führungsebene ist aufgefordert, aus Visionen Strategien abzuleiten und das Projekt in allen Phasen zu unterstützen. Ein Konvertierungsprojekt - richtig verstanden - ist also auf jeden Fall auch eine echte Herausforderung für das Top-Management.
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